SSB AG: Keine Untersagung des Warnstreiks am 20./ 21. Oktober 2020 wegen der Corona-Pandemie (15 Ga 54/20)

Datum: 20.10.2020

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 19.10.2020 entschieden, dass die SSB AG nicht verlangen kann, dass der von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (nachfolgend: ver.di) für den 20./21. Oktober 2020 angekündigte Warnstreik untersagt wird und ver.di den Streikaufruf widerruft.

Ver.di hat für den 20./21. Oktober 2020 Arbeitnehmer der SSB AG in den Bereichen Fahrleitung, Zugsicherung, Infrastruktur (Gleisbau) und in verschiedenen Werkstätten zu einem Warnstreik aufgerufen. Die SSB AG hat daraufhin beim Arbeitsgericht Stuttgart am 19. Oktober 2020 beantragt, den Warnstreik durch eine einstweilige Verfügung insgesamt, hilfsweise ab dem 20. Oktober 2020 um 16:00 Uhr, zu untersagen und ver.di zu verpflichten, den Streikaufruf zu widerrufen. Nach Auffassung der SSB AG sei ein ordnungsgemäßer Fahrbetrieb ohne die von den Warnstreiks betroffenen Bereiche nicht möglich. Es sei mit überfüllten S-Bahnen und angesichts der Corona-Pandemie mit erhöhten Infektionszahlen zu rechnen. Dies sei nicht hinnehmbar, der Warnstreik sei unverhältnismäßig. Sie - die SSB AG - sei als Unternehmen der Daseinsvorsorge verpflichtet, die Bevölkerung vor drohenden Gesundheitsgefahren zu schützen.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Anträge der SSB AG mit Beschluss vom 19. Oktober 2020 zurückgewiesen. Ein Streik könne durch eine einstweilige Verfügung nur dann untersagt werden, wenn er offenkundig rechtswidrig sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Zwar unterlägen Arbeitskampfmaßnahmen im Bereich der Daseinsvorsorge spezifischen Einschränkungen, um unverhältnismäßige Eingriffe in das Gemeinwohl zu verhindern. Es sei vorliegend aber nicht hinreichend dargetan, dass der geplante Warnstreik am 20./21. Oktober 2020 dergestalt zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Gemeinwohl führe, dass damit - trotz der Corona-Pandemie - eine erhöhte Gesundheitsgefährdung Dritter einherginge. Ver.di habe nicht das Fahrpersonal von Stadtbahnen und Bussen zum Warnstreik aufgerufen. Bezüglich der vom Streikaufruf betroffenen Bereiche sei nicht erkennbar, dass deswegen eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der gesamte Stadtbahn- und Busverkehr an beiden Tagen ganz oder großteils zum Erliegen komme mit der Folge einer signifikanten Verlagerung des Fahrgastaufkommens auf die S-Bahnen und einer damit ggf. einhergehenden erhöhten Gesundheitsgefährdung von Fahrgästen.

Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit erging die Entscheidung durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung. Die SSB AG hat gegen den zurückweisenden Beschluss sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Stuttgart eingelegt. Dieses hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg als zuständigem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die SSB AG hat die sofortige Beschwerde zwischenzeitlich zurückgenommen. Damit ist der Rechtsstreit mit dem Beschluss vom 19. Oktober 2020 rechtskräftig abgeschlossen.

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