Geschäftsbericht 2008 für die Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

Datum: 13.02.2009

Kurzbeschreibung: 

Geschäftsbericht 2008 für die Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg

(des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts
Prof. Dr. Johannes Peter Francken, Stand: 13.02.2009)


Anfangs gute Konjunktur im Jahr 2008 schlägt sich in einer Stagnation der Verfahrenseingänge bei den Arbeitsgerichten nieder.

Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise auf die Arbeitsgerichte noch ungewiss.


1. Arbeitsgerichte

Bei den neun baden-württembergischen Arbeitsgerichten gingen im Jahr 2008 insgesamt 48.708 Urteilsverfahren (insbesondere Kündigungsschutz- und Zahlungsklagen), Beschlussverfahren (in der Regel Streitigkeiten zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern) und Einstweilige Verfügungen ein. Im Jahr 2007 waren es insgesamt 53.041 Verfahrenseingänge. Nominal gingen die Eingänge damit etwas zurück; bereinigt um die Unschärfen einer im Jahr 2007 vorgenommenen Statistikumstellung ist allerdings von einer Stagnation der Eingänge auf dem bisherigen Niveau auszugehen. Erledigt wurden im Jahr 2008 47.951 Verfahren. Damit stieg die Zahl der unerledigten Verfahren von 13.259 (Ende 2007) auf 13.937 (Ende 2008) leicht an.

Der Geschäftsanfall bei den Arbeitsgerichten ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage. Bis zum Ende des 3. Quartals 2008 schlug sich die bis dahin gute Konjunktur deutlich in relativ geringen Verfahrenseingängen nieder. Die monatlichen Eingänge bewegten sich in diesem Zeitraum zumeist um die Schwelle von 4.000 Verfahren. Bei einem Verfahrenseingang in dieser Höhe können die Arbeitsgerichte erster Instanz mit ihrer derzeitigen Personalausstattung zügigen Rechtsschutz gewährleisten. Dieser ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen von herausragender Bedeutung. Im 4. Quartal des Jahres 2008 zeichnete sich bereits die Tendenz ab, dass die aktuelle Wirtschaftskrise auf die Verfahrenseingänge durchschlägt. So gingen im Dezember 2008 5.093 Verfahren bei den Arbeitsgerichten erster Instanz ein.

Wie sich die Verfahrenseingänge im Jahr 2009 entwickeln werden, lässt sich derzeit nur schwer prognostizieren. Die von der Wirtschaftskrise besonders betroffene Automobilindustrie versucht derzeit, Personalanpassungen durch Abbau von Arbeitszeitguthaben und durch Kurzarbeit zu vermeiden. In anderen Branchen sind aktuell noch ausreichend Aufträge abzuarbeiten; es fehlt aber an neuen Aufträgen. Tendenziell ist mit einer erheblichen Zunahme der Verfahrenseingänge zu rechnen. Wenn der Abbau von Arbeitszeitguthaben, Kurzarbeit, die übliche Personalfluktuation, Altersteilzeitverträge und Abfindungsvereinbarungen nicht mehr ausreichen, um den Personalbestand an die Auftragslage anzupassen, wird es aller Voraussicht nach zu betriebsbedingten Kündigungen kommen. Aufgrund des dann anzunehmenden Verfahrensanstiegs ist es unabdingbar, dass bei den Arbeitsgerichten erster Instanz kein weiterer Abbau an Richterstellen stattfindet und frei werdende Stellen zügig besetzt werden.

Wegen des im Jahr 2008 noch moderaten Verfahrenseingangs konnten die Arbeitsgerichte erster Instanz die Verfahren mit einer erfreulichen Schnelligkeit bearbeiten. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug bei den Urteils- und Beschlussverfahren 3,2 bzw. 3,1 Monate. Nur in 10,3 % der Verfahren der Urteilsverfahren bzw. 13,7 % der Beschlussverfahren belief sich die Verfahrensdauer auf mehr als sechs Monate, in nur 2,1 % bzw.
1,3 % der Fälle auf mehr als zwölf Monate.

Zur schnellen Verfahrenserledigung trug unter anderem bei, dass die Bereitschaft zur gütlichen Beilegung der Rechtsstreitigkeiten bei den Arbeitsgerichten erster Instanz sehr ausgeprägt ist. Rund 65 % der Verfahren wurden durch einen Vergleich erledigt. Das Arbeitsgerichtsgesetz gibt den Richtern ausdrücklich auf, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken. Die Bereitschaft zur gütlichen Einigung dürfte jedoch zurückgehen, wenn aufgrund des Personalabbaus in den Unternehmen die Erhaltung des Arbeitsplatzes wieder in den Vordergrund rückt. Die Verfahren werden dann zeitaufwendiger werden; die Zahl streitiger Entscheidungen wird steigen.


2. Landesarbeitsgericht

Beim Landesarbeitsgericht gingen im Jahr 2008 1.833 Berufungen (vor allem in Kündigungsschutz- und Zahlungsstreitigkeiten), 190 Beschwerden in Beschlussverfahren (insbesondere Streitigkeiten zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern) und 803 sonstige Beschwerden ein. Damit war im Vergleich zum Jahr 2007 ein geringfügiger Verfahrensanstieg von rund 50 Verfahren zu verzeichnen. Erledigt wurden 1.820 Berufungen, 144 Beschwerden in Beschlussverfahren und 812 sonstige Beschwerden. Der in den letzten beiden Jahren erreichte Abbau der Rückstände konnte im Jahr 2008 nicht mehr fortgesetzt werden. Die moderaten Verfahrenseingänge ermöglichten auch beim Landesarbeitsgericht einen zügigen Verfahrensabschluss. Im Durchschnitt dauerte ein Urteilsverfahren 5,2 Monate, ein Beschwerdeverfahren in Beschlussverfahren 5,6 Monate. 67 % der Berufungsverfahren wurden innerhalb von sechs Monaten erledigt, 93 % innerhalb von zwölf Monaten.

In welchem Umfang sich die aktuelle Wirtschaftskrise auf die Geschäftsbelastung des Landesarbeitsgerichts auswirken wird, lässt sich ebenfalls nur schwer prognostizieren. Aufgrund des Instanzenzugs wird sich ein Verfahrensanstieg bei den Arbeitsgerichten erster Instanz erst mit einer gewissen Zeitverzögerung beim Landesarbeitsgericht bemerkbar machen. Eine höhere Zahl an streitigen Entscheidungen in erster Instanz wird aber zwangsläufig zu einer stärkeren Belastung der zweiten Instanz führen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.


In Vertretung
gez. Dr. Natter
Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts

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